Vom Widerstand bis zu sozialen Kämpfen


Vom Widerstand zum Neuanfang: Die Rolle der Frauen in Reggio Emilia beim Wiederaufbau nach dem Krieg (1945-1953)

Der Hintergrund

Die Zeit der deutschen Besetzung Italiens und des antifaschistischen Widerstands (Resistenza) war entscheidend für die Weiterentwicklung und Entfaltung der Frauenbewegung. In den zwanzig Monaten vom 8. September 1943 bis zum 25. April 1945 kämpften weite Teile der Bevölkerung mit unterschiedlicher kultureller und politischer Vergangenheit im Untergrund gegen die deutsche Nazibesatzung und ihre faschistischen italienischen Kollaborateure. In der heutigen Provinz Reggio Emilia, in der damals rund 300.000 Menschen lebten, war die Beteiligung am Widerstand besonders groß: Zum Zeitpunkt der Befreiung waren mehr als 10.000 Partisan:innen erfasst. Eine deutlich niedrigere Zahl, als es tatsächlich der Fall war, denn der bewaffnete Kampf wurde in großem Umfang von Frauen organisiert und unterstützt. Oft waren sie in den klandestinen Verteidigungsgrupen der Frauen (Gruppi di difesa della Donna - GDD) organisiert, erfuhren jedoch nach dem Krieg keine offizielle Anerkennung als Partisaninnen, weil sie nicht mit der Waffe gekämpft hatten. Der Widerstand in Reggio Emilia hat viele Menschenleben gekostet: Mehr als 600 Partisan:innen wurden getötet und mehr als 1.200 Zivilist:innen kamen bei Massakern, Bombardierungen oder nach der Deportation nach Deutschland ums Leben.

Die Beteiligung von Frauen an der Resistenza war von entscheidender Bedeutung. Sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene waren Frauen zum ersten Mal direkt an der Gestaltung der nationalen Geschichte beteiligt. Zwar war die Gesellschaft immer noch patriarchalisch, bäuerlich und religiös geprägt, doch der Befreiungskampf bot Frauen die Möglichkeit, aus dem traditionellen Muster auszubrechen und in ihren Herkunftsfamilien eine neue, eigenständige Rolle einzunehmen, indem sie in den Partisanenverbänden als Helferinnen, Versorgerinnen und Informantinnen tätig wurden. Die eingegangenen Risiken, die persönlichen Erfahrungen in den Monaten der Illegalität und die Erwartungen an eine neue, andere und offenere Gesellschaft waren Faktoren, die viele junge Frauen dazu veranlassten, nach Kriegsende eine brave Rückkehr in die alte Gesellschaftsstruktur nicht mehr zu akzeptieren. Vielmehr versuchten sie, die Freiräume für Aktivitäten und Partizipation zu bewahren, die sie in den zwanzig Monaten des Kampfes geschaffen und gelebt hatten. Die Rückkehr ins zivile Leben konnte nur über den Aufbau einer neuen Gesellschaft erfolgen, in der auch die Rolle der Frau (und hier insbesondere die von Müttern) neue Formen annehmen musste.

Die Nachkriegszeit in Reggio Emilia

Gruppe von Kindergartenkindern mit Lehrerin [1946], UDI Archiv Reggio Emilia – Bibliothek Panizzi, Fotoarchive – Reggio Emilia.

Die charakteristischste Aktivität von Frauen in und um Reggio Emilia im Sommer des Jahres 1945 war sicherlich die Beschäftigung mit der Kinderbetreuung.

Bereits am 1. Mai 1945, also eine Woche nach der Befreiung, wurde im Stadtteil Santa Croce der erste „asilo“ (selbstverwalteter Kindergarten) eröffnet. Benannt nach der Partisanin Vandina Saltini, wurde er von der UDI (Unione Donne Italiane - kommunistisch orientierter Italienischer Frauenverband, Nachfolgeorganisation der Verteidigungsgruppen der Frauen) betrieben. Der "Asilo Vandina Saltini" setzte seine Aktivitäten bis 1954 fort, bis das Gebäude, in dem sich zuvor die lokale faschistische Parteizentrale befand, in eine Carabinieri-Kaserne umgewandelt wurde.

In vielen Gemeinden der Provinz Reggio startete der Frauenverband UDI Initiativen zur Eröffnung von Kindergärten. Unmittelbar nach der Erfahrung des Widerstands wollte sich eine neue Generation von Frauen am Aufbau einer neuen Gesellschaft beteiligen, am Aufbau einer "neuen Welt", die nicht einfach eine Wiederherstellung der Gesellschaft sein konnte, die die Errichtung des faschistischen Regimes ermöglicht hatte.

Die Sorge um die Kinder, die in dieser neuen, im Aufbau befindlichen Gesellschaft aufwachsen würden, wurde zum Kernpunkt der Politik der Kommunistischen Partei Italiens (PCI - Partito Comunista Italiano) und der mit ihr verbundenen Organisationen, die in der ganzen Emilia aus dem antifaschistischen Untergrundkampf hervorgegangen war.

In Anbetracht der extremen Ressourcenknappheit und der Notwendigkeit umfangreicher Wiederaufbauarbeiten erscheint die Bilanz der mit Spenden und Sammelaktionen erzielten Leistungen heute fast unvorstellbar.

Mit freiwilligen Spenden, Lotterien, Theateraufführungen der Verbandsmitglieder und sportlichen Aktivitäten (Basketball- und Tennisturniere) wurden Gelder gesammelt.

Auf diese Weise konnten vom UDI und dem katholischen Frauenverband CIF (Centro italiano feminile) in den meisten Orten "Asili del Popolo“ (Volkskindergärten) für die Kinder von arbeitenden Frauen eröffnet werden. Unterstützt wurden sie dabei von den örtlichen Befreiungskomitees (CLN - Comitato di Liberazione Nazionale), die alle am Widerstand beteiligten Parteien vertraten.

Am 13. Januar 1947 wurde der "Asilo del Popolo" (Volkskindergarten) in Villa Cella eingeweiht, nachdem das Gebäude ein Jahr lang aus Materialien gebaut worden war, die man aus anderen zerbombten Gebäuden geborgen hatte.

Die Sorge um die Kinder entsprang nicht nur der Erinnerung an eigene frühere Erziehungserfahrungen und als Reaktion auf die Not der Familien in der unmittelbaren Nachkriegszeit, sondern auch einer neuen Sensibilität gegenüber Kindern. Man betrachtete sie nicht mehr als bloße Objekte der Fürsorge und des Schutzes, sondern als Bürgerinnen und Bürger, als Träger von Rechten und Hoffnungen, nach den tragischen Erfahrungen des faschistischen Krieges, der das Leben der Gemeinschaften während der letzten zehn Jahre geprägt hatte.

Diese neue Sensibilität wurde unabhängig von der politischen Einstellung wahrgenommen: Auf dem ersten UDI-Kongress wurde ein Beschluss gefasst, in dem die Übereinstimmung der Aktivitäten der kommunistischen Organisation mit denen des katholischen CIF anerkannt wurde:

"Angestellte, Fabrikarbeiterinnen, Intellektuelle, Bäuerinnen, Heimarbeiterinnen, Hausangestellte, Handwerkerinnen, alle können und müssen ihre Arbeitsbedingungen verbessern, von der beruflichen Laufbahn über Weiterbildung bis zur Entlohnung, von der Arbeitsumgebung bis zur Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, von der Arbeitszeit bis zur sozialen Absicherung. Mit geeigneten Angeboten, die die familiären Probleme lindern, wie z.B. Kinderkrippen, Kindergärten, Kantinen, muss den Frauen Gelassenheit am Arbeitsplatz garantiert werden". [1. UDI-Kongress, 20.-23. Oktober 1945, Florenz].

[1. UDI-Kongress, 20.-23. Oktober 1945, Florenz]

Kommunaler Kindergarten "Arcobaleno" in Novellara.

Die institutionelle Dimension (1945-1953)

Es gab eine klare Kontinuität zwischen den Aktivitäten des Frauenverbandes UDI, den lokalen Befreiungskomitees (CLN) und der Stadtverwaltung von Reggio Emilia, in der die Kommunistische Partei seit der Befreiung (und zwar bis in die 1990er Jahre) die Mehrheit stellte. Diese Kontinuität zeigte sich sowohl in den allgemeinen Entscheidungen von weitreichender Bedeutung als auch in der konkreten Umsetzung der Verwaltung. Die „asili“ des UDI und des CLN waren innovativ, weil sie das Ergebnis eines von der Bevölkerung gewünschten und geförderten Prozesses waren und die Bevölkerung gleichermaßen an ihrer Verwaltung beteiligt war.

In der Praxis dieser Kindergärten erkennen wir bereits dieses präzise Bewusstsein, das sich in einem wahrhaft sozialen Projekt verwirklicht hat.

Sofia Gandolfi (1983) erinnert sich:

"Vertreter aller politischen Kräfte, Gewerkschaften, aber vor allem Familien und Bürger, die ein großes Interesse an Bildungsfragen zeigten, beteiligten sich an der Verwaltung der Einrichtung. Es waren Gruppen von Bürgern, die sich um die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen kümmerten und die Aufgaben durch ehrenamtliche Arbeit oder die Beschaffung von Lebensmitteln durch Sammlungen bewältigten. Es waren aber auch die Menschen, die bei Ausflügen und Besichtigungen halfen, die Kinder unterbrachten, die Lehrmittel fertigten und das Mobiliar anfertigten. Die Arbeiter:innen der ‚Reggiane-Werke' blieben zum Beispiel länger bei der Arbeit, um die Werkzeuge zum Bau der kleinen Stühle für die Kinder zu nutzen".

Von UDI und CLN wurden acht „Volkskindergärten“ (Asili del Popolo) eröffnet:

in San Maurizio, Santa Croce esterna (Vandina Saltini), Massenzatico, Villa Sesso, Villa Cella, Roncina, Masone, Via Bainsizza und San Prospero Strinati, mit insgesamt durchschnittlich 400 bis 430 Kindern pro Tag, was bedeutet, dass 25 % der Kinder der betroffenen Altersgruppe betreut wurden.

Die utopische Komponente wurde jedoch bald durch eine weniger phantastische, dafür aber geordnetere politisch-erzieherische Struktur ersetzt, die auf der täglichen Bemühung beruhte, immer neue Instrumente für eine wirkliche Verbesserung und Weiterentwicklung zu finden. Zwischen 1945 und 1953 stieg die Zahl der Anmeldungen sprunghaft an und belegte das Vertrauen in die Institutionen, die schnell in der Lage waren, die Bedeutungen der neuen Gemeinschaftsphilosophie, die für die Anfangsphase des Wiederaufbaus typisch war, aufzugreifen und in eine konkrete Form zu übertragen.

Im Jahr 1953 nahmen diese gezielten Maßnahmen beachtliche Ausmaße an und umfassten:

  • 35 vorübergehende Kindergärten während der Saisonarbeiten (Reis- und Getreideernte usw.), die in Zusammenarbeit mit den Gemeinden, Bauerngewerkschaft und ONMI eingerichtet wurden.
  • 20 Horte, die in der ganzen Provinz von den Gemeinden betrieben wurden, oft in Räumlichkeiten, die an die Kindergärten angrenzten, jedoch von diesen getrennt waren, und die von insgesamt rund 700 Kindern besucht wurden.
  • Ein Ferienlager am Meer (Colonia Marina) in Riccione für 88 Kinder, das selbständig vom Frauenbund UDI betrieben wurde.
  • Zwei Ferienlager (eines in den Bergen in Vetto d'Enza und eines am Meer in San Mauro) für 64 bzw. 450 Kinder in Zusammenarbeit mit dem Genossenschaftsverband und dem Gewerkschaftsbund.

Von der Betreuung zur Bildung (1945-1953)

Dank der wachsenden Nähe zu den Familien entwickelten sich die UDI-Kindergärten innerhalb kurzer Zeit über die reine Betreuung hinaus hin zu Einrichtungen mit immer mehr pädagogischen Inhalten. Das Personal bestand aus entsprechend qualifizierten Lehrkräften. Die Erzieherinnen, Köchinnen und Betreuerinnen lebten den Kindergartenalltag mit den Eltern, arbeiteten zusammen und planten gemeinsam Aktivitäten.

Weil die Beziehung zum Territorium (insbesondere zur Nachbarschaft) zu einem wichtigen Bildungselement wurde, verflüchtigte sich zunehmend die Vorstellung von der Schule (Kindergarten) als exklusivem Ort für den Bildungsprozess des Kindes.

Die wichtigste Neuerung der Volkskindergärten (Asili del Popolo) des Frauenbundes UDI bestand darin, dass sie im Rahmen eines kollektiven Emanzipationsprozesses entstanden, der, ausgehend von der Organisationsstruktur der kommunistischen Partei und der Frauenbewegung, die gesamte Bevölkerung einbezog. Was hier geschah, war also keine gewöhnliche Geschichte, wie Loris Malaguzzi 1971 selbst betonte. Er räumte ein, zunächst nicht in der Lage gewesen zu sein, dieses neue Phänomen zu verstehen, das nicht einem bürokratischen Prozess von oben nach unten entsprang, sondern dem Wirken aufstrebender sozialer Kräfte. Ausgehend von Kindheit und Familie träumte man vom Aufbau einer neuen sozialistischen Gesellschaft durch die Zusammenarbeit einer ganzen Gemeinschaft.

Es war ein utopischer Prozess, der den traditionellen Rahmen der Pädagogik sprengte, aber - wie Malaguzzi bemerkte - dank des kollektiven Engagements Realität werden konnte.

Die UDI war keine öffentliche Institution, ersetzte aber das fehlende kommunale Engagement, ohne jemals aufzuhören, ihre eigenen Erfahrungen mit denen der lokalen Behörden zu verknüpfen und auch auf nationaler Ebene Forderungen zu stellen. Nachdem einige Volkskindergärten in Schwierigkeiten geraten waren und ihren Betrieb einstellen mussten (Asilo del Popolo in Via Bainsizza, Villa Masone und San Prospero Strinati) wurden bereits in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre häufig und mit Nachdruck Anträge auf Kommunalisierung gestellt, die auch von Frauen unterstützt wurden, die in den Gemeinderat gewählt worden waren (einige davon waren selbst Mitglieder des UDI).

Die Bemühungen waren erfolgreich und führten zwischen 1969 und 1973 zur Umwandlung einiger dieser Einrichtungen in städtische Schulen der Kindheit (Villa Cella, San Maurizio, Roncina, "Martiri di Sesso" in Villa Sesso, "Camillo Prampolini" in Massenzatico).

Bereits 1963 hatte die Gemeinde auf Druck des UDI und der Frauenbewegung beschlossen, ungeachtet des starken Widerstands der Präfektur (territoriales Amt der Zentralregierung in jeder Provinz) und in Ermangelung eines nationalen Gesetzes fünf Kindergärten zu bauen und sie in die Stadtentwicklung neuer Wohngebiete einzubeziehen. In diesem Zusammenhang wurden auch Vorschriften für die Verwaltung der Einrichtungen ausgearbeitet.

Als erste nahm 1963 die "Robinson"-Schule (in der Via Pastrengo) ihren Betrieb auf, ein Jahr später folgte die Städtische Schule der Kindheit "Anna Frank".

Die erste städtische Kinderkrippe, benannt nach Genoveffa Cervi, der Mutter von sieben Brüdern, die 1943 von den italienischen Faschisten ermordet wurden, nahm 1971 ihren Betrieb auf.

Die Stadtverwaltung von Reggio Emilia unter den kommunistischen Bürgermeistern Cesare Campioli (Antifaschist, im Exil und später einer der Initiatoren des Widerstands) sowie Renzo Bonazzi, einem jungen bürgerlichen Intellektuellen, verkörperte die politischen Ideale einer sich wandelnden Generation. Diese Generation war sich ihrer utopischen Ideale bewusst und strebte danach, sie so schnell wie möglich in die Tat umzusetzen.

So entstand die Forderung nach einem neuen Bildungsweg, der sich aus den veränderten Bedingungen der institutionellen Landschaft ergab. Diese Forderung spiegelte den bereits im Frauenbundes Udi gereiften Wunsch wider, Schulen der Kindheit (Kindergärten) einzurichten. Es war die Frauenbewegung, die die Antwort dominierte und sie auf Ziele ausrichtete, die der Entdeckung der Emanzipation von Frauen und Kindern am nächsten waren.

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